Geschichtliches
zur Militär- und Marschmusik
Militärmusik war zunächst immer zweckorientierte Gebrauchsmusik. Neben der Vermittlung eines gemeinsamen Marschtaktes hatte sie – gleichfalls bereits seit dem Altertum – mit weithin hörbaren Zeichengebern Signale zu übermitteln. So berichtet eine römische Schilderung aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert: “ Da Caesar sein Ziel erreicht hatte, ließ er zum Rückzug blasen….. die Soldaten der übrigen Legionen hatten den Klang der Tuba gehört…..“
Erklärbar aufgrund der zeitlich gestaffelten Entstehung von Reiter- und Landsknechtheeren zu Fuß ist die Differenzierung zwischen Pfeifen und Trommlern für die Fußtruppen sowie Pauken und Trompeten für die Berittenen: Letztere gingen auf die Hof- und Feldtrompeter mittelalterlicher Heere zurück. Bis 1810 bildeten Sie eine privilegierte Zunft: Nur sie durften Trompeten führen. Auch die Aufstellung der Dragoner („halb Mensch, halb Vieh, aufs Pferd gesetzte Infant´rie“) vermochte die Grenzen nicht zu verwischen, sie wurden den Fußtruppen zugeordnet und erhielten Infanteriemusik (Hoboisten und Trommler) statt eines „Trompeterkorps“.
17. und durchgesetzt im 18. Jahrhundert, führte in Verbindung mit dieser melodiösen Anreicherung des Rhythmusschlagens zur weiteren Entwicklung der etwa zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges entstandene Marschmusik.
Durch die Initiative vieler Kapellmeister von deutschen Militärorchestern, den Musikkorps bei den Fußtruppen und den Trompetenkorps bei den berittenen Truppen wächst im 19. Jahrhundert eine wahre Flut von Marschkompositionen. Die Märsche bekommen ihre besonderen landsmannschaftlichten Züge: der preußische Marsch, der bayrische Militärmarsch, die Märsche der ehemaligen königlichen Hannoveranischen Armee, der sächsische und hessische Militärmarsch sowie die österreichischen Militärmärsche. Dies wurde ergänzt durch den Brauch jedem Regiment seinen Marsch zuzuschreiben, der bei Paraden und feierlichen Anlässen gespielt wurde.
Was ist also Militärmusik bzw. Marschmusik? Eine solche Frage lässt sich weder oberflächlich noch voreingenommen beantworten. Deshalb ist es geboten, die Militärmusik sowohl im Sinne von kompositorischen Werken als auch spezifischer Organisationsformen von Musikern zu betrachten. Es währe gleich falsch, Ihr schematisch jedes Stück im Marschtakt zuordnen zu wollen wie darunter alle Kompositionen zu verstehen, die von uniformierten Klangkörpern gespielt werden. Auch darf die Tatsache nicht irritieren, dass manch deutscher Militärmarsch speziell aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts einen chauvinistischen Titel trägt oder an historisch kompromittierte Personen gebunden ist.
Trotz einer gewissen Identifizierung der Militärmusik mit dem überwundenen Regime konnte sie nach dem Krieg erstaunlich schnell verlorenes Terrain zurückgewinnen. Zunächst von ländlichen Brauchtumsgruppen, dann sehr bald auch von Bundesgrenzschutz und Polizei wurde sie weitergepflegt, so dass bald nach Aufstellung der Bundeswehr trotz Vorbehalten wieder Musikkorps gegründet wurden.
Militärmusik ist für viele eine unbekannte Erscheinung geworden – ist sie doch im Fernsehen und im Radio so gut wie nicht präsent und wird doch sie von manchen Meinungsmachern als seltsame musikalische Erscheinungsform dargestellt, an der sich nur kauzige ewiggestrige Menschen mit einem Hang zum Militärischen erfreuen. Militärmusik als lebendiges musikalisches und kulturgeschichtliches Phänomen ist vielfach nicht im Bewusstsein der Menschen, auch nicht von solchen, die sich mit Musik beschäftigen bzw. Musik machen.
Wer weiß schon, dass das moderne sinfonische Blasorchester auf der Besetzung der preußischen Militärorchester des 19. Jahrhunderts basiert und sich daraus entwickelt hat? Wem ist bewusst, dass es vor Erfindung des Fernsehens, des Radios und der Schallplatte fast ausschließlich Militärorchester in allen Städten Deutschlands waren, die für die breite Masse der Bevölkerung hörbar Musik machten ? Wer macht sich klar, dass noch Anfang des 20. Jahrhunderts der musikalische Kulturbetrieb in vielen deutschen Opernhäusern ausschließlich durch Musiker aus Militärkapellen bestritten wurde, weil es nicht genügend zivile Orchester gab ? Wer erinnert sich daran, daß viele Gassenhauer und Schlager des Kölner Karnevals aus der Feder örtlich ansässiger Militärmusiker stammen und dass wie selbstverständlich die Musik- und Trompeterkorps der Kölner Garnison verkleidet im Kölner Rosenmontagszug mitliefen ?
Wir haben die Militärmusik als eine Erscheinung begriffen, deren historische Wurzeln weit in die Vergangenheit zurückreichen. Es liegt ein langer Weg zwischen der ursprünglichen Verwendung von Tönen und Rhythmen in Jahrtausende zurückliegender kriegerischer Auseinandersetzung und dem Spiel der Tambour- und Musikkorps unserer Tage. Seit beginn dieses Jahrhunderts haben die Militärkapellen zwar ihre Qualität verbessert, Neuerungen hat es aber kaum mehr gegeben.
Die Bevölkerung bringt der Militärmusik traditionelle Erwartungen entgegen. Sie hat wenig Verständnis dafür, wenn Musikkorps scheinbar mit der Zeit gehen und die Marschmusik zu Gunsten „höherer Kunst“ vernachlässigen.